Pôle Sud : Women pulse

Maldonne © Nora Houguenade

L’année commence avec elles, in Pôle Sud ist ein Festival, das Choreographinnen gewidmet ist, die den Puls unserer Zeit vorgeben.

Der Monat Januar ist in Straßburg definitiv weiblich. Als Stammgast der Veranstaltung präsentiert Nach ein Kollektiv-Werk. In Elles disent (23. & 24.01.), umgibt sie sich mit drei Tänzerinnen, die aus dem Flamenco, dem zeitgenössischen Tanz oder, wie sie selbst, dem Krump kommen. Ihr einzigartiger Stil, der direkt ins Herz trifft, spielt mit intimen Elementen, wie einer Liebkosung, den Revolten des Körpers, dem Verlangen und der Stärke, die, ohne sie zu negieren, die Ängste überwindet, die uns heimsuchen. Leïla Ka, die die neue assoziierte Künstlerin in Pôle Sud für die Spielzeit 2024-25 ist, präsentiert sich hier erstmals mit Maldonne (26.01.). Zu Elektromusik, französischem Chanson und klassischer Musik entfalten sich fünf Frauen in unterschiedlichen Kleidern in verschiedenen Identitäten, wie ebenso viele Ichs und mögliche Sehnsüchte mit einer faszinierenden Geschicklichkeit.

Erstaunlicher ist der Beitrag von Marcela Santander Corvalán und Hortense Belhôte. Zwischen getanzter Konferenz und wissenschaftlich-intimem Vortrag hat Concha, histoires d’écoute (11. & 12.01.) performative und didaktische Züge. Die Choreographin und die Schauspielerin und Kunsthistorikerin entspannen einen resolut futuristisch-feministischen Diskurs. Das Schneckenhorn des Titels, das gleichzeitig das Musikinstrument bezeichnet und (im Französischen) ein umgangssprachlicher Begriff für die Scheide ist, dient als Ausgangspunkt um einige Bildikonen (eine Mariä Verkündung von Botticelli, Triumph der Galatea von Raffael) neu zu interpretieren, mit positiven und mutigen Frauenfiguren im Angesicht von Zyklopen und Tritonen. Die Malerei (wie der Tanz) wird zu einer wortlosen Kunst, die befreiend sein kann, das Stück zählt Optionen für empowerment auf. Das Duo vereint mit demselben Elan Cyndi Lauper, Hildegard von Bingen, das Chakra des Herzens, das dritte Auge oder Anekdoten über den Sänger Idir. Aber auch Volksglauben vom Amazonas in einer großen heiligen Stille, die alles erstrahlen lässt, ebenso wie die aufeinanderfolgenden Verwandlungen in einen Uhu oder Falken, um die Nacht kennenzulernen und die Sterne zu gebären. Das Ensemble endet mit dem Tanz von Hanna Alprin – „ein sichtbar gewordener Atemzug“ – die allein ihrem Krebs gegenübersteht, der auf eine Leinwand gemalt ist.

Unsere Auswahl aus dem Programm schließen wir mit L’Homme rare (19.01,) von Nadia Beugré ab, einem unverblümten Blick auf den westlichen Exotismus rassifizierter Körper. Die Ivorerin attackiert mühelos Zuschreibungen und geschlechtsspezifische Darstellungen, zersprengt das Maskuline mit ihren fünf nackten Tänzern. Nach einer Einleitung zu Reggae-Rhythmen von Gainsbourg (Daisy Temple) bei der das Publikum dazu eingeladen wird auf der Bühne zu tanzen, nimmt die Verlegenheit zu, wenn sie sich vollständig ausziehen. Nie werden uns ihre Gesichter gezeigt, nur ihre Rücken und Gesäße, auf die sie sich fröhlich hauen in einer Geste zwischen Virilität und fleischlichem Verlangen. Zu herzzerreißenden Liedern, mit dem Mikrophon in der Hand, reihen sich die menschlichen Skulpturen wie Figuren aneinander (religiöse, sirenenartige, queere auf hohen Absätzen oder Wäscherinnen weißer Stoffe), machen uns von Voyeuren zu betrachtenden Komplizen. Dieser Seltene Mann, bewegt das Becken wie ein Teufel, wirft die Raster von Zerbrechlichkeit und Kraft durcheinander. Er erinnert daran, dass der Blick bei weitem nicht harmlos ist.

Pôle Sud
L’Homme rare © Olivier

In Pôle Sud (Straßburg) vom 11. bis 26. Januar
pole-sud.fr

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