Graces von Silvia Gribaudi

Silvia Gribaudi : Graces © Claudia Borgia & Chiara Bruschini

In Graces jagt die italienische Choreographin Silvia Gribaudi die Schönheitsideale und Forderungen nach Schlankheit zum Teufel.

Als klassisches Motiv schlechthin wurden die Drei Grazien seit der Antike unzählige Male gemalt, in Stein gemeißelt und beschrieben, von Botticelli bis Maillol, über Raphaël oder Rubens. Die griechischen Göttinnen haben Akt-Darstellungen der Freude (Euphrosyne), des Überflusses oder des Charmes (Thalia) und der Pracht (Aglaia) Platz gemacht. Dieser Formen der Schönheit, die alle sehr stark im kollektiven Bewusstsein verankert sind, nimmt sich Silvia Gribaudi an, um den Kult der Jugend und der Perfektion zu stürzen. Ihre Chariten (ihr ursprünglicher Name bei den Griechen) sind drei Ballerinos in Strümpfen und schwarzen Slips. Mit ihrem Körper voller Rundungen, der von den Codes des Milieus meilenweit entfernt ist, gesellt sich die Choreographin zu ihnen auf der Bühne, um die Normen zu attackieren. Sie bietet die Sinnlichkeit ihres Körpers dar, als Gegengewicht zu jenen ihrer Partner und interpretiert mit umwerfendem Humor und Subtilität die neoklassische Malerei und den klassischen Tanz, das Voguing, den Haka oder das Kung-Fu neu. Nichts, was sexy oder äußert spektakulär wäre.

Graces par Silvia Gribaudi © Claudia Borgia & Chiara Bruschini
Graces von Silvia Gribaudi © Claudia Borgia & Chiara Bruschini

Wenn die Italienerin uns mitreißt, ist es mit ihrer Art und Weise, in einer genussvollen Respektlosigkeit die Tabus der Darstellungen des Körpers umzustoßen. Auf tiefgründige Weise die physischen Klischees zu erkunden, den prüden Anstand, sowie die Konstruktion der Schönheits-Kanons, die sie verwirft. Der Abstand, den sie durch die Umkehrung der Geschlechter – sie nimmt drei Männer, um die Grazien zu spielen und fügt ihnen eine Frau hinzu, die den Nanas von Niki de Saint Phalle nähersteht als der Ikonographie, die die Zeiten und Epochen durchzieht – hervorruft, ist nur das erste Täuschungsmanöver einer Künstlerin, die gleichzeitig dazu fähig ist, sich über sich selbst lustig zu machen, wie über das was wir kollektiv als Maßstab der Schönheit, des Erfolges, der Ästhetik anlegen. Täuschen Sie sich nicht, das choreographische Gepäck jedes einzelnen Interpreten steht den besten zeitgenössischen Balletts in nichts nach. Während Silvia Gribaudi die exzessive Erotisierung des weiblichen Körpers – und das Gefängnis, das diese darstellt – schilt, spart sie nicht bei den Erwartungen gegenüber dem Tanz, bei dem die Silhouette ein Werkzeug im Dienste der Vision ist, die selbst von vielerlei Stereotypen belastet ist, die wir kollektiv geerbt haben. Der Gedanke an den sozialen, kollektiven und individuellen Einfluss, dieser Fragen taucht ohne Vorwarnung oder Schwere auf. Es bleibt jedem frei überlassen sich zu dem zu hinterfragen, was ihn zum Lachen bringt, aber auch zu den Normen, die uns in die Zange nehmen.


In Les Bains Douches (Montbéliard) am Donnerstag den 6. April

mascenenationale.eu

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