Elegante Respektlosigkeit von Christophe Marthaler

Photo de Julie Masson

Das aktuelle Stück des Schweizers Christoph Marthaler, Aucune idée, vereint zwei langjährige Komplizen in einer Inszenierung, in der das Lächerliche auf das Absurde trifft um eine… Lebenskunst zu bilden.

Seit mehreren Jahrzehnten geht Christoph Marthaler mit einer gewissen Radikalität an die Renovierung des Musik-Theaters heran. Seit jeher (oder fast) bahnt er sich beharrlich diesen Weg mit Graham F. Valentine, einem Schauspieler, den er als Jugendlicher kennenlernte, als jener seine Heimat Schottland verließ um in Zürich Literatur zu studieren und in der Familien-Pension der Marthalers wohnte. Der Legende nach ist ihre künstlerische Freundschaft im Zuge einer kleinen Vorführung entstanden, die im selben Jahr 1970 in einer bescheidenen Land-Pfarrei zu einem Lied von Marlene Dietrich, bekleidet mit einem einfachen Laken, gespielt wurde. Ein Skandal für die damalige Zeit in einer reformierten Schweiz die nicht nur den Dadaismus erfunden hat! Seitdem haben sie sich fast nie wieder getrennt. Christoph ist ein Meister der Langsamkeit geworden, dessen Theater einen permanenten Dialog zwischen Musik, Liedtext und Gesang orchestriert, wobei er wie kein anderer mit Ironie, Impertinenz und Diskrepanzen arbeitet. Sein LieblingsSchauspieler-und Sänger hat schon über Paradies und Hölle geherrscht, die Züge eines blinden Touristenführers oder eines äußert exzentrischen Haushofmeisters angenommen.

Photo von Julie Masson

 Hier steht er wieder in der ersten Reihe von Aucune idée, auf dem Treppenabsatz eines Gebäudes, einer Art Zwischenbereich, der Nachbarschaftsstreitigkeiten begünstigt, mit seinen zahlreichen Öffnungen, Türen und Fallgruben in Form von Briefkästen. Um dem Rattenschwanz an ordinären Problemen zu begegnen, die natürlich auftreten, wird er vom Barock-Gambist-und Violoncellisten Martin Zeller begleitet. Ihre Überfahrt der Absurdität, in der das Äußere mit dem Inneren spielt, mischt auf geschickte Weise Musik von Bach und Auszüge von Michaux, Verse von Léo Ferré, Arien von Saint-Saëns und Kompositionen von Marin Marais mit Boulevard-Humor und Wahnsinn à la Kafka. Ihre Erkundung der Lücke spielt mit den Tonfällen, mit den Sprachen (sie gehen nach Lust und Laune vom Französischen ins Englische über) und einer Vielfalt von drolligem Durcheinander. Die Poesie der Worte versteckt sich in unseren toten Winkeln, Erkundungen der Schwächen der Seele und der Schwierigkeiten mit der Andersartigkeit. Ihre zarte Art und Weise die Zeit zu beherrschen, lässt jedem die Gelegenheit zur Betrachtung und heilsamen Selbstbeobachtung.


Im Grand Théâtre (Dijon) am Freitag den 8. und Samstag den 9. April (koproduziert mit der Opéra de Dijon)
opera-dijon.frtdb-cdn.com

Im Maillon (Straßburg) vom 18. bis 21. Mai (in französischer und englischer Sprache mit deutschen Übertiteln)
maillon.eu

Kulturbus Offenburg / Straßburg, Mittwoch 18.05

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