Die Jungfrau von Orléans in der Interpretation von Hauen und Stechen in Saarbrücken

© Martin Kaufhold

Politisch und tolldreist bringt die Inszenierung der Jungfrau von Orléans von Tschaikowsky des Kollektivs Hauen und Stechen das Saarländische Staatstheater zum Beben.

Das Werk ist selten auf den europäischen Bühnen, aber die Jungfrau von Orléans ist eine reine Klang-Ekstase mit martialischen Chören und seinen leidenschaftlichen Arien. Um sie zu entdecken, haben Julia Lwowski und das Kollektiv Hauen und Stechen eine radikale Aufführung komponiert, ein Ausbund an Regietheater, das eine Geschichte entstaubt – und das Wort ist schwach – die wohlbekannt ist und uns von den gehörten Stimmen in Domrémy bis zur Verurteilung auf dem Scheiterhaufen in Rouen trägt. Auf der Bühne ist in jedem Moment (zu) viel los: Einige Passagen sind ein absoluter Erfolg wie die Nutzung von Video in Echtzeit im Modus „Kriegsreportage“, ein dantesker Prozess (in einem mit Dreckskerlen dekorierten Bühnenbild, die einen ironischen Heiligenschein tragen, Sexualstrafstäter oder Tyrannen, von Evgueni Prigojine bis Augusto Pinochet, von Jeffrey Epstein bis DSK) oder die Enthüllung der Wahrhaftigkeit von Johannas Visionen. So sieht man sie inmitten der in Lumpen gekleideten Menge Wunder vollbringen, indem sie einen Gelähmten laufen lässt oder Kartoffeln in… Pommes frites verwandelt. 

Die Jungfrau von Orléans | Trailer

Ultrapolitisch zitiert diese Produktion den Krieg in der Ukraine (einige Passagen werden sogar in ukrainischer Sprache gesungen) mit Projektionen von Ruinen-Städten, die das Blut in den Adern gefrieren lassen, aber auch mit dem Kampf der Frauen, die Heldin wird als Figur begriffen, die das Patriarchat herausfordert… zu allen Zeiten, denn Johanna wird zu einer Zeitreisenden, die in die Zukunft gesandt wird. Die Bluescreen-Technik erlaubt es, sie mit Laserschwertern gegen Androiden der Zukunft kämpfen zu sehen… Von allen Seiten angesprochen, hat der Zuschauer keine Pause, mit dem Risiko von einer Fülle von Details abgelenkt zu werden, in der die Komik auf Trash trifft. Hier ein teuflisch kitschiges Kostüm, dort ein Schmetterling mit einer riesigen Vulva, der über die Bühne flattert, dessen Sinn schwer zu entschlüsseln ist… Auch wenn die Inszenierung manchmal etwas komisch-burleskes hat, dessen grundlegende Intention man dennoch versteht, ist die Orchesterleitung von Stefan Neubert seinerseits perfekt: Herrlich stürmisch erweist der Dirigent dieser Partitur mit tausend Farben die Ehre. Von der stimmlichen Seite aus ist die Sache klar, mit einem homogenen Aufgebot an Sängern, aus dem die Stimme von Carmen Seibel in der Titelrolle – Mezzosopranistin mit einem herrlichen Timbre – und Valda Wilson herausstechen. Außergewöhnlich in der Rolle der Agnès Sorel, besitzt die australische Sopranistin eine unglaubliche Bühnenpräsenz und verführt uns mit ihren strahlenden hohen Tönen und ihrer tiefen Klangreinheit. 


Im Saarländischen Staatstheater (Saarbrücken) am Sonntag den 5. und 26. Mai, dann am Sonntag den 2. und Freitag den 14. Juni
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