ascendant vierge : die Welt im Loop

© Raphaël Lugassy

Das französisch-brüsseler Duo ascendant vierge surft auf der Welle des Hardcore-Techno-Revivals mit hochgesteckten und desillusionierten Texten.

Eine Vereinigung von mehr als 30 Jahren mit dem Thunderdome- Sampler – und dem gleichnamigen Festival – das den Sternstunden des Gabber, der in den Niederlanden und Belgien so beliebten Techno gewidmet ist, mit der von Rap gesättigten Generation Z. Das ist das Kunststück von ascendant vierge, der Kombination aus der Popsängerin (Mathilde Fernandez) und dem DJ und Mitglied des Kollektivs und Labels Casual Gabberz (Paul Seul), die nicht ganz unbeteiligt an dieser Rückkehr der Gattung sind und sich einen Platz bei allen großen Festivals gemacht haben. Einerseits musikalische Produktionen voller Puls, die reinhauen und fetzen, ohne Vorwarnung, einer Trennlinie zwischen Bässen und BPM treu, mit bewusster Überreiztheit. Andererseits eine hohe Stimme, die manchmal zur Kopfstimme wird, nach Herzenslust säuselnd, ohne zu sehr forcieren zu müssen, denn die Maschinen sind voll präsent. Eine Ähnlichkeit mit Mylène Farmer, bis hin zu den desillusionierten Texten, die eine Epoche zum Krepieren erzählen. Das Gleichgewicht scheint manchmal zerbrechlich. Oft zart. Immer gehalten. Die Liedtexte, die ebenso sachte, aber bewusst ausgefeilt sind wie die Klänge, greifen die Pumpe an und bringen sie in Bewegung. Keine Topliner, die maßgeschneiderte Melodien liefern, aber eine Kunst der Stimm-Melodie und des Refrains von der man ganz hingerissen ist, welche mit der wilden Instrumentalmusik in Kontrast steht, die sie umgibt. Das Gefühl mit Vollgas über eine Nationalstraße zu fahren, mit offenen Fenstern, wobei die Watt die weißen Linien herausfordern, die vorbeiziehen und die Bitterkeit dieser einzigen Momente, in denen man sich lebendig fühlt.

ascendant vierge © Soraya Daubron
ascendant vierge © Soraya Daubron

Die Gruppe hat in diesem Frühjahr Une Nouvelle chance herausgebracht, ein hyper-eiweißreiches Album, das drei Jahre lang gereift ist, gedopt von Gier nach Leben und der Trunkenheit der Jeux d’enfants (Kinderspiele) in denen man sich einem Défi (einer Herausforderung) stellt, nach dem Motto „Cap ou pas cap?“ (Traust du dich oder nicht?), nach Art von Canet / Cotillard. Auf dem Albumcover posieren sie vor dem explodierten Rumpf ihres Rennwagens in orangefarbenen Rennfahrer-Kombis, mit einem verschmitzten Blick bei Mathilde und einem peroxyd-blonden Schopf bei Paul. Ein sehr ausgearbeiteter Look, mit Vintage-Anklang aus den Neunzigern, der mit dem schlechten Geschmack flirtet, aber an den Höhepunkt ihrer ersten musikalischen Erregungen erinnert. Die Mischung fällt aus dem Rahmen und erstaunt, spiegelt die Stimmung dieser Zeit wider, vom IRL oder vom Anstand des sozialen Spiels entgegen seiner inneren Ziele (Dedans) blockiert. Der gleichnamige Titel (Une Nouvelle chance) mischt geschickt verlorene Worte und eine Art Sturm, fast gerappt, durch die man die Welt wie in einem Loop sieht! Un Monde où tu n’existes pas (Eine Welt in der du nicht existierst), jene einer toxischen Beziehung, in der die kristallklare Stimme von Mathilde zur Flucht vor dem anderen einlädt und vor allen seinen Realitäten, denn das wahre Leben ist woanders.


In La Vapeur (Dijon) am Donnerstag den 12. Oktober, in la BAM (Metz) am Freitag den 13. Oktober und in La Laiterie (Straßburg) am Samstag den 14. Oktober

lavapeur.comcitemusicale-metz.frartefact.org

Das könnte dir auch gefallen