Hommage an die Vergessenen mit Supernovas von Tavares Strachan in der Kunsthalle Mannheim
Mit Supernovas, verleiht Tavares Strachan vergessenen Figuren neues Leben, die von der offiziellen Geschichtsschreibung ausgeschlossen wurden.
Zweimal bei der Biennale in Venedig aufgefallen – im Jahr 2013 als er sein Land, die Bahamas, mit Polar Eclipse repräsentiert, dann in 2019 in der zentralen Ausstellung mit dem Titel May You Live In Interesting Times –, ist Tavares Strachan (geboren 1979) ein großer konzeptueller Künstler, der gleichermaßen unsere intellektuellen wie emotionellen Fähigkeiten mobilisiert, was nicht häufig vorkommt. Der Besucher entdeckt dies in einer breiten Retrospektive mit Hauptwerken wie The Encyclopedia of Invisibility (2018), einem kolossalen Buch mit rund 17 000 Einträgen, dessen Layout an jenes der illustren Encyclopædia Britannica erinnert, und die seine unumgängliche Fortsetzung darstellt. Die Personen, Orte, Ereignisse, Objekte, Konzepte und andere Phänomene, die aufgelistet sind, wurden vom institutionellen Wissen vergessen, dass sich auf Unterdrückung stützt, denn der Künstler sieht darin vor allem die Unsichtbarkeit „wie eine Weigerung zu sehen“. Um der Welt diese „verlorenen Geschichten“ zurückzugeben, sowie jene Unsichtbarkeiten, die von der eindeutigen westlichen mehrfahr-ausschließenden Erzählung (Opfer von Rassismus, Queere, etc.) erstickt wurden, bildet der Künstler ein Pantheon das sich auf den Wänden des Saales mit Six Thousand Years (2018) ausbreitet. Darin treffen die Musikerin Rosetta Tharpe, die Chuck Berry, Elvis Presley oder Johnny Cash beeinflusst hat, auf Unionville, die Geisterstadt Navadas, die das Theater rassistischer Vorfälle gegenüber chinesischen Minderheiten im Jahr 1869 war, oder auch den afro-amerikanischen Entdecker Matthew Henson, wahrscheinlich die erste Person, die den Nordpol erreicht hat.
Die ägyptische Kanope-Vase aus Bronze und Gold, ENOCH (2015-2017) – von der ein Exemplar im Jahr 2018 mit einer Falcon 9- Rakete von SpaceX in den Weltraum geschickt wurde – erinnert an das Schicksal von Robert Henry Lawrence Jr., der als der erste afro-amerikanische Astronaut betrachtet wird. Für ein Raumfahrtprogramm ausgewählt, ist er bei einem Trainingsflug im Jahr 1967 verstorben… und wurde dann von den Historikern vergessen. Mit der Serie A Map of the Crown werden Bronzebüsten mit echten Haaren präsentiert, ein Werk von ergreifender Schönheit mit zahlreichen politischen Resonanzen, was insbesondere daran erinnert, dass die schwarzen Sklaven früher Objekte oder Nachrichten in ihren Haaren versteckten! Und man bleibt auch begeistert im Intergalactic Palace (2024), einer riesigen Hütte mit einem Strohdach, das von den Reisen von Tavares Strachan in das ehemalige ugandische Königreich von Buganda inspiriert ist, die als symbolischer safe place für alle diese vergessenen Seelen dient. In seinem Zentrum thront eine goldene DJ-Kabine, aus der Stimmen erklingen – wie Fragmente von Whitey on the Moon, Gedicht des sehr engagierten Dichters Gil Scott-Heron – die sichtbar gemacht werden, wie Sterne, dank der Lichtelemente der Seitenwände der Kuppel, vergängliche Gestirne, die doch so essenziell sind.
In der Kunsthalle Mannheim bis 24. August
kuma.art