Vollmond (Pleine Lune) und die Kunst des Regens

© Martin Argyroglo

Im Jahr 2006 präsentierte Pina Bausch eine Ode an die Liebe, voller Einsamkeit, unter den Wolkenbrüchen von Vollmond (Pleine Lune).

Ein riesiger Fels in einem kleinen Fluss, der in die Bühne gegraben wurde. Von Eimern und Becken verspritzt, zerschellt das Wasser hier wie ein entfesselter Ozean. In einer Dunkelheit, die mit Kontrasten bearbeitet wird, spielt das imposante Bühnenbild von Peter Pabst, das einer Installation für zeitgenössische Kunst würdig ist, die Rolle eines Totems mit der Kraft der Natur. Jene wird zu einem Element der Inspiration und der Konfrontation für unsere menschliche Kondition. Das Tanz-Theater von Pina Bausch und der große Erfolg des Tanztheaters Wuppertal verdanken ihm viel, wie bei den rund 8000 Blumen in Nelken, den riesigen Baumstämmen in Nur du oder dem riesigen schwarzen Lavastrom in Masurka Fogo.

Vollmond (Pleine Lune) © Martin Argyroglo
Vollmond (Pleine Lune) © Martin Argyroglo

Auch wenn der Wolkenbruch von Vollmond (Pleine Lune) vom Himmel fällt, kommt er auch von nächtlichen Ritualen gepeinigter Seelen und spielerischen Wasserspielen. Wie ein Sommerregen, ebenso plötzlich und unerbittlich, dient das Wasser der Explosion zahlreicher widersprüchlicher Gefühle, in der die Choreographin, die 2009 verstorben ist, unsere Reise orchestriert. Von Cat Power bis Tom Waits, über den DJ Ninja Tune Amon Tobin, hallt die Musik in den Körpern wider, im Wechsel zwischen skelettartigen Solos voller Windungen und Gruppenphasen, die fröhlich befreiend sind, mit verspielt-wässriger Energie. So ist es mit den Figuren von Pina: Immer am Rande der Leere, wie zurückgekommen von einer Katastrophe mit einer schwarz gefärbten Seele, aber getragen von einer Trunkenheit des Lebens, der Explosionen von Freudenblasen. Die langen Kleider wechseln Tiefschwarz und Kristallweiß ab.

Als Meisterin der Bilderscheinungen, die genauso unbemerkt erlöschen, wie sie geboren werden, kreiert sie Liebespaare, die ohne Erfolg versuchen sich zu umarmen, ein Mann zieht am Mund, an den Haaren oder am Kleid seiner Schönen, um jeglichen Elan zu einem anderen hin zu unterbinden. Eine Vergänglichkeit der Gefühle, die so schnell erlöschen wie Streichhölzer, nacheinander angezündet, mit den Füßen im Wasser, in der Dunkelheit der Nacht dieses anderen Moments leuchtend, ebenso wundervoll wie flüchtig. Es braucht einen strömenden Regen, der die Hemden und Hosen tränkt, was die langen Haare zu Pinseln macht, die wie bei einem Dripping, dazu bereit sind die Materie auf die Bühne zu spritzen, damit die Körper sich in einer orgastischen Raserei bewegen. Vom Schatten zum Licht, vom Albtraum zum Traum, von der Sinnlichkeit zur Einsamkeit.


In La Filature (Mulhouse) vom 6. bis 8. Oktober, Co-Empfang in Zusammenarbeit mit dem Théâtre du Jura (Delémont) und La Coupole (Saint-Louis)

lafilature.orgtheatre-du-jura.ch

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