Sylvie Fleury enthüllt Shoplifters from Venus

Sylvie Fleury : Acne, 2014, Galerie Mehdi Chouakri, Berlin

Mit Shoplifters from Venus widmet das Kunst Museum Winterthur Sylvie Fleury, einer der bekanntesten zeitgenössischen Künstlerinnen der Schweiz eine große Einzelausstellung.

Sie versichert ohne Umschweife: „Ich sehe meine Arbeit nicht als Aneignung an. Ich sehe sie eher als eine Personalisierung.“ Für ihre ausgefeilten Inszenierungen des Glamours und der Lebenskunst bekannt, in die die ikonischen Elemente der Mode und des Designs geschleudert werden, verwischt Sylvie Fleury ohne Unterlass die Grenzen zwischen Kunst und Konsum, stellt ihr schamloses Luxus-Shopping in provokanten Installationen von Marken-Handtaschen der schönsten Haute-Couture-Häuser (Balenciaga, Saint Laurent…) aus, die immer das von der Künstlerin gekaufte Stück enthalten (Acne, 2014). Irritierend und zweideutig beutet die junge Sechzigjährige unsere Epoche gnadenlos aus, spielt mit den Symbolen und einer bissigen Ironie, wenn sie jenen die nachfragen sagt, dass sie jeden Tag malt… mit Eyeliner um ihre Augen! Eine Täuschung mit der sie sich zum unbedarften Sexy-Girl verstellt.

Sylvie Fleury : White Gold (2010)
Sylvie Fleury : White Gold (2010)

Wie Duchamp oder Warhol vor ihr, ist es unsere mehr oder weniger (unter)bewusste Beziehung zur Macht der Symbole, die uns umgeben, die sie zitiert, neu interpretiert und auf buchstäbliche Weise zu nutzen vorgibt. Ihre Art und Weise XXL-Liedschatten zu platzieren (Flawless Finish – Perfect Beige, 2021) oder mit Silber besprühte Handtaschen mit einem Rahmen, der aus Inneren herausragt und dieselbe farbliche und kosmetische Behandlung erfahren hat (White Gold, 2010), ist nicht ohne eine fröhliche Ironie, die die neo-konzeptuelle Kunst in sakralisierten weißen Räumen ebenso hinterfragt wie die weiblichen Klischees. Man würde fast ihren punkig-bissigen Teil vergessen, jenen der sie dazu brachte den Boden der illustren Galerie Pierre Huber mit Teer zu bedecken, junge Frauen auf Farbfilm festzuhalten, die sündhaft teure Handtaschen mit der Kalaschnikow explodieren lassen oder zu versuchen in einem spanischen Kloster einen Vampirfilm zu drehen.

Sylvie Fleury
Sylvie Fleury : Flawless Finish – Perfect Beige (2021)

Von den Ufern des Genfersees aus vervielfältigt die Genferin die zeitgenössischen Versionen der Vanitas. Fetischismus der Objekte, Belanglosigkeit und gesellschaftlicher Überdruss, die uns sogar unsere Träume und Vorstellungskraft rauben. So dreht sich ihr in Gold angesprühter Einkaufswagen um sich selbst und spiegelt sich dabei in einem runden Sockel, der mit Spiegeln bedeckt ist. Durch die Verfremdung der Darstellungsformen von Virilität erobert sie die männliche Macht: Die Reifen sind verchromt, die Raketen mit Fell überzogen, die zum Teil Teppiche des gleichen Schlags durchbohren, in einer bizarren phallischsymbolischen Vision mit explizitem Namen (First Spaceship on Venus, 1995). Wenn Sie so gut den Hype schilt – wie in Untitled (2021) mit seinen zahlreichen Stiletto-Pumps, die auf einem weißen Teppich gestrandet sind rund um einen armchair Eichholtz & Richmond – dann weil sie ihn emsig praktiziert hat als Clubbesucherin und Shoppingqueen auf Highheels. Trotzdem ist es unmöglich sie darauf zu beschränken.

Sylvie Fleury
Sylvie Fleury : Untitled (2021)

Im Kunst Museum Winterthur vom 3. Juni bis 20. August

kmw.ch

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