La Cité transparente im Musée Draï Eechelen
Indem er einen Dialog zwischen Vergangenheit und Gegenwart herstellt, zeichnet Yann Tonnar die Veränderungen der urbanen Landschaften Luxemburgs seit dem 19. Jahrhundert mit La Cité transparente nach.
Für seine erste Teilnahme am Europäischen Monat der Photographie (bis zum 16.11.), hat sich das Musée Draï Eechelen einen besonderen Botschafter ausgesucht. Seit dem Dokumentarfilm Schrebergaart (2009), der die Entwicklung von Esch-sur-Alzette anhand der Schrebergärten analysiert, bis zum Projekt Stadrand (2022), einem photographischen Ausflug an die Grenzen der Hauptstadt des Großherzogtums, hat sich Yann Tonnar in der Tat als aufmerksamer Beobachter der lokalen Landschaft etabliert. Durch Zufall ist der Regisseur, geboren 1975, im Zuge einer ikonographischen Suche auf eine Sammlung von Zeichnungen von Jean-Baptiste Fresez (1800-1867) gestoßen, die in den 1830er Jahren unter dem Titel „Ansichten von Luxemburg“ veröffentlicht wurden. Ursprünglich für eine reiche Klientel gedacht, haben diese Panoramen mit der Zeit die nostalgische Einfärbung naiver Klischees erhalten, trugen zur Idealisierung eines Gebiets bei, das als uneinnehmbar galt, was ihm den Spitznamen „Gibraltar des Nordens“ einbrachte. Zwei Jahrhunderte später interpretiert der Sohn des Landes diese romantische Bildwelt in Form von digitalen Collagen neu, kombiniert die Original-Lithographien von Fresez und seinem Schüler Jean-Nicolas Bernard (1803-1866) mit seinen eigenen Aufnahmen.
Während die Bild-Retusche traditionellerweise über Ebenen ausgeführt wird um deren heilige Hierarchie zu bewahren, verwebt der Luxemburger die verschiedenen Geschichts-Schichten auf transparente Weise zu einem einzigen Bildgewebe. Er verpflichtet sich nur zu einer einzigen Regel: Der perfekten Zwillingsbeziehung der Blickpunkte. Auf einigen Abzügen integrieren sich die Fragmente der Gegenwart in jene der Vergangenheit, während auf anderen die Verteidigungsgebäude wie aus dem Nichts aufzutauchen scheinen, was mal den Eindruck von Sättigung erzeugt, mal die Bildkomposition atmen lässt. Da die Drucke vor 1867 entstanden, dem Jahr der Zerstörung der Festung, bringt der Prozess die radikale Transformation der Stadt zum Vorschein, die Militärgebäude machen Türmen, Gebäuden oder auch Grünflächen Platz. Von der Brücke der Großherzogin Charlotte dominiert und von der Vegetation verschlungen, scheint die Porte d’Eich nur eine ferne Erinnerung zu sein (Prise de la porte d’Eich, 2025). Die Wolkenkratzer des Geschäftsviertels Kirchberg bekleiden den Horizont mit einer retrofuturistischen Note (Prise au-dessus de la Porte du château, 2025), während die surrealistische Atmosphäre, die die Prise de la Porte de Mansfeld (2025) ausstrahlt, fast Zweifel an der Existenz der Befestigungen selbst wecken… Jenseits der ästhetischen Wahl, wirft die Konfrontation der beiden Aufnahme und Wiedergabetechniken einen neuen Blick, zwischen Hommage und kritischer Analyse, auf die historischen, kulturellen und identitären Herausforderungen, die das Luxemburg von Gestern und Heute geformt haben.
Im Musée Draï Eechelen (Luxemburg) bis 16. November
m3e.public.lu