Körperkult

Honoré Daumier (1808–1879), EIN GLAUBENSBEKENNTNIS. Ja Monsieur, ich habe meine politische Position klar und offen vor dem Land entblösst. Ich war sicher, dass meine aufrichtige Liebe zu unserem System mich würdig machen würde, meine Mitbürger zu vertreten... ich habe mich offensichtlich getäuscht Monsieur, sehr getäuscht!!, in: Le Charivari, 23.09.1842, Kolorierte Lithografie, Sammlung Dieter Ante

Im Museum für Kunst und Technik des 19. Jahrhunderts interessiert sich Baden in Schönheit für Die Optimierung des Körpers im 19. Jahrhundert, unter anderem in der Badekultur.

Im 19. Jahrhundert verlässt der Körper den exklusiven Bereich des Religiösen: „Er gehört nicht mehr Gott, sondern dem Individuum. Jeder kann sich auf ihn konzentrieren, indem der ihn trainiert, kultiviert, verbessert oder verändert“, fasst Prof. Dr. Matthias Winzen, der Direktor des Museums LA8 zusammen. Diese begeisternde Ausstellung beschreibt die verschiedenen Modalitäten eines Umbruchs, der auch in vielerlei Hinsicht eine Befreiung ist. Zahlreiche Objekte und Praktiken, die heute fest im Alltag verankert sind, finden ihren Ursprung in dieser Zeit, zum Beispiel mit den Vorgängern der Geräte im Fitness-Studio. Der Besucher entdeckt so einen eleganten Stuhl (mit samtbezogener Sitzfläche) für die Bodybuilder der 1880er Jahre, der so sehr an Fitness erinnert wie ein Foltermuseum. Um dieses Erscheinungsfest der Anatomie zu illustrieren, in dessen Zentrum die Badekultur darstellt, entfalten sich die Heldenfiguren von Sascha Schneider – der in Deutschland für seine Illustrationen der Bücher von Karl May bekannt ist – aber auch die überbordenden Gemälde von nackten, vor Gesundheit strotzenden, Männern und Frauen von Ludwig von Hofmann, die an Gauguin oder Van Gogh erinnern, ohne die Skulpturen von Maillol zu vergessen. Es sind dann keine Götter, Helden oder Heilige mehr, die wir sehen, sondern normale Leute. Diese Aneignung des Körpers durch den Bürger ist auch die Gelegenheit zum Spott, mit zwei Wänden mit fast fünfzig Werken von Daumier, der sich in seinen köstlichen Wasserskizzen über die Badenden lustig macht.

Der Körper außer Rand und Band auf zwei Etagen einer Ausstellung, die ebenso komische wissenschaftliche Gerätschaften präsentiert, die dazu dienen Elektrizität in den Organismus zu leiten (zahlreiche Gelehrte glaubten, dass Sie Quelle von Vitalität sei und es erlaube gegen Depressionen zu kämpfen), wie eine Serie von Badewannen, die von der Geburtsstunde der Hygiene zeugen. Die Machtübernahme über die Körper wird in Bildern aufgenommen: Die von Wilhelm Röntgen erfundenen Strahlen erlauben es, ins Innere zu schauen, während die pornographischen Photographien – mit charmanten Daguerreotypien, besonders jener eines jungen Mädchens, das sich das Geschlecht von einem verschmitzten Frechdachs kämmen lässt – das Intimste zeigen. Auch die sozialen Utopien werden beleuchtet, wie jene des Naturheilpraktikers Adolf Just, der die Rückkehr zur Natur predigte oder jene von August Engelhardt, dem Gründer des Sonnenordens, einer Bewegung mit Tendenz zur Sekte, deren Anhänger sich ausschließlich von Kokosnüssen ernährten.


Im Museum LA8 (Baden- Baden), bis zum 28. Februar 2021

museum.la8.de

Die Badekultur ist auch Thema der Ausstellung Körper. Blicke. Macht., siehe S.56

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