Der Fall Cornelius Gurlitt im Kunstmuseum Bern

Claude Monet Waterloo Bridge, temps gris, 1903 Huile sur textile, doublé. Kunstmuseum Bern, Legs Cornelius Gurlitt 2014

Mit Gurlitt. Eine Bilanz präsentiert das Kunstmuseum Bern seine Recherchen rund um den Kontext der Annahme jener Meisterwerke, die dem Museum vom Sammler vermacht wurden.

Eine Frau mit aufsässigem Blick, mit gerunzelten Augenbrauen (Frauenkopf III, 1912), eine Holzgravur mit dem Profil einer Adlernase unter einem Sternenhimmel (Mann und Weibchen, 1912) oder auch ein zittriges Aquarell mit schwarzer Tinte (Steg mit Mühle) auf dem eine Mühle sich vor einem Himmel in bedrohlichem Nachtblau abhebt. Diese drei Werke von Emil Nolde, wie die kleine, aber oh wie erhabene Pferdedarstellungen voller spannungsreicher und rassiger Kurven, in einer Aquarell-Landschaft mit weißem Stift von Franz Marc, dessen Ausgeglichenheit erstaunlich ist (Pferde in Landschaft, 1911), gehören zu den Juwelen des Testaments von Cornelius Gurlitt. Als dieser im Jahr 2014 im Alter von 81 Jahren verstirbt, erfährt das Kunstmuseum Bern, dass es sein Alleinerbe ist. Ein Danaergeschenk… Und zwar aus gutem Grund, ein internationales Team von Forschern, das von der Bundesrepublik Deutschland und dem Freistaat Bayern beauftragt wurde, leitet Untersuchungen zur zweifelhaften Herkunft der 1500 Werke ein, von denen ein Teil vom Kunsthändler Hildebrand Gurlitt (dem Vater von Cornelius) zu Zeiten des Kunstraubs des nationalsozialistischen Regimes gekauft worden seien.

 

 

Das Museum gründet eine Abteilung für Provenienzforschung, deren Aufgabe es ist, die jeweiligen Ankäufe jedes Werkes nachzuvollziehen. In den folgenden Jahren werden zwei Gemälde von Matisse und Libermann den Nachkommen ihrer legitimen Besitzer zurückgegeben, gefolgt von einem Pissarro, einem Signac und zwei Aquarellen von Otto Dix. Diese Bilanzausstellung präsentiert rund 350 Stücke und mischt einen Teil des Erbes mit Reproduktionen historischer Dokumente aus Deutschland, Frankreich und der Schweiz, aus den Schriftstücken von Cornelius Gurlitt, die im Deutschen Bundesarchiv aufbewahrt werden. Ein Schwer- punkt wird auf ethische und politisch-juristische Fragen gelegt, die die Geschichte des Kunstraubs der 1930er bis 1940er Jahre bis heute aufwirft, wobei die Schweizer Institution zu jenen mit der entschiedensten Vorgehensweise in dieser Angelegenheit gehört. Eines ist sicher, Gurlitt hatte Geschmack. Oft wird behauptet, dass William Turner den Nebel erfunden hat, ein gewisser Claude Monet stand ihm in nichts nach. Davon zeugt Waterloo Bridge, temps gris (1903), das zu den rund vierzig Gemälden gehört, die er von der alten Brücke malte, die seitdem vom Krieg zerstört wurde. Oder auch die Montagne Sainte-Victoire (1897) von Paul Cézanne, deren Felsen blau-violette Töne annehmen, ein Sabbat im Kerzenschein von Emil Nolde mit nackter Brust (Kerzentänzerinnen, 1917). Man ist ganz verschossen in die nackte Frau mit der erstaunten Katze von Ernst Ludwig Kirchner (Nackte Frau im Wald, 1921) und seine Melancholie von 1922, die das traurige Fleisch eines Paares zeigt. Ihre Gesichter mit dem Ausdruck des kleinen Todes nach dem Geschlechtsverkehr sind gleichzeitig herrlich und voller Trostlosigkeit.

 


Im Kunstmuseum Bern bis 15. Januar 2023

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