Die getanzte Hommage von Nadia Breugré in Épique ! (pour Yikakou)
Die ivorische Choreographin Nadia Beugré folgt den Spuren eines verlorenen Dorfes in Épique ! (pour Yikakou), in dem sich intime und kollektive Erzählungen mischen.
Von einer Mischung aus traditionellem und zeitgenössischem Tanz getragen – anhand dessen sie Fragen zu Gender, Identität, Familie, Gesellschaft oder der Erinnerung in der Konstruktion eines Individuums thematisiert – nimmt die Arbeit von Nadia Beugré eine neue Wendung mit Épique ! (pour Yikakou). Diese Kreation, die sie als ein Solo definiert, da es eine sehr persönliche Seite ihres Lebens berührt, lädt nichtsdestotrotz zwei andere Künstler auf die Bühne ein: Eine burkinische Balafon-Spielerin und eine ivorische Zouglo-Sängerin, populäre Musik, die die sozialen Realitäten verschiedener Gemeinschaften erzählt. Indem sie zum Echo ihrer Geschichte werden, helfen die beiden Frauen dem Publikum dabei in ihre Identitätssuche einzutauchen, geprägt von einer rituellen Stimmung aus psalmodierten Gesängen, die fast beschwörend sind. Dazu bewegt, im Laufe des Schaffensprozesses von L’Homme rare (2020), wieder an ihre Wurzeln anzuknüpfen, reist Nadia Beugrébis ins berühmte Dorf Yikakou, in der Nähe von Zikisso, im Süden des Landes, den Ort ihrer Kindheit, an dem ihr Vater und ein Teil ihrer Vorfahren gelebt haben. Aufgebrochen um dort Leben vorzufinden, trifft sie schlussendlich eine Geisterstadt an: Die Häuser existieren nicht mehr, die Natur hat sich wieder durchgesetzt, es bleiben nur die Gräber der Verstorbenen und man spricht sogar von Fluch. Auf der Bühne, Blattwerk, das an der Decke hängt und Sandhügel, welche die Interpreten nach und nach auf dem Boden verteilen, die dieses Verschwinden und diesen Willen zur (Wieder)Herstellung der Beziehung zur Vergangenheit symbolisieren.
Nadia Beugré liefert eine starke und instinktive Performance, die poetische Metaphern nutzt um ihre Trauer und Betrübtheit auszudrücken. Aneinandergedrängt scheinen kleine Rechtecke aus Taschentüchern die verlassenen Grabstätten darzustellen, während man in einem zart darüber gelegten weißen traditionellen afrikanischen Tuch ein Zeichen der Hommage und der Rekonstruktion sehen kann. Körpertrommeln und langsame Armbewegungen mit geschlossenen Augen verstärken den zeremoniellen Charakter eines Epos, in dem sich die Protagonistin in die Rolle ihrer Vorfahren versetzt, ob sie zum familiären Kreis gehören – ihre Großmutter, Beschützerin der Gruppe, die das Wissen und eine Fähigkeit zur Prophezeiung besitzt – oder zu den Legenden Westafrikas – Dô-Kamissa, Büffel-Frau, die die Geburt von Soundjata Keïta ankündigte, dem Gründer des Malireiches. Das Ensemble wirft schlussendlich eine große Frage auf: Welche Erinnerungen bleiben, wenn die Zeit alles verschlungen hat?
In der Kaserne Basel (Basel) am Sonntag 12. Oktober, in der Dampfzentrale (Bern), am Samstag den 25. und Sonntag den 26. Oktober, und in der Tanzplattform Rhein-Main (Frankfurt am Main) Sonntag 2. November, im Théâtre Vidy-Lausanne vom 19. bis 22. November und im Theater Freiburg (Freiburg im Breisgau) am Freitag den 28. November
> Alle Aufführungen sind im Rahmen des Festivals Culturescapes 2025 programmiert (außer jene vom 2. November)
Culturescapes 2025
Die Biennale Culturescapes (09.10.- 29.11., in Mulhouse, Freiburg im Breisgau und in verschiedenen Städten der Schweiz), die ihr Zentrum in der Schweizer Hauptstadt hat, stellt die Kultur einer Region der Welt anhand verschiedenster Disziplinen in den Fokus (Musik, Tanz, Kino, Literatur…) vor. Nach einem Fokus auf die Sahara und insbesondere Subsahara-Afrika im Jahr 2023, steht Nordafrika im Zentrum der diesjährigen Ausgabe.
culturescapes.ch