Plausibilität des Raums

Sans titre, 2016, © VG Bild-Kunst, Bonn 2019

In einer umfangreichen Retrospektive zu Karin Kneffel spielt das Museum Frieder Burda mit der Realität.

Sie wird ad nauseam als Schülerin von Gerhard Richter präsentiert, manchmal auf diese lapidare Definition reduziert. „Furchtbar“, ärgert sich Karin Kneffel, die lachend hinzufügt: „Ich bin so alt, und immer noch Schülerin! Das ist wie bei Andreas Gursky*, den viele weiterhin als Studenten von Bernd und Hilla Becher beschreiben.“ Diese Ausstellung erlaubt es eine große Künstlerin zu entdecken, eine Malerin der langen Zeit, „ich gehe Monate mit diesen Gemälden schwanger, manchmal Jahre“. Mit Photographien als Ausgangspunkt erinnert ihr Schaffensprozess an eine mentale Sedimentation von Bildern und Eindrücken, die halluzinogene Gemälde hervorbringen: „Ich möchte, dass Raum und Zeit, Gegenwart und Vergangenheit in meinen Bildern miteinander verschmelzen. Was ist Realität, was ist Fiktion, wo beginnt die Realität des Bildes“, fragt sie in Szenen mit glatter Oberfläche, die trotzdem den Eindruck eines Reliefs vermitteln. Eine Ansicht eines Wohnzimmers wird so von einem roten Kreuz, voller Pigmente, durchgestrichen, das man als wütenden Pinselstrich ansehen könnte: Wenn er sich jedoch annähert, stellt der von diesem Trompe-l’œil getäuschte Betrachter fest, dass die Oberfläche gleichmäßig glatt ist. Aus diesen „Illusionsräumen“ heraus untersucht sie die Macht der Malerei, indem sie überdimensionale fünf Meter hohe Weintrauben darstellt oder riesige Feuer, die über eine Länge von sieben Metern knistern, wenn es nicht Besucher in einem Museum sind, die die Werke von Diego Vélasquez, Eric Fisch oder… Gerhard Richter betrachten.

Sans titre, 1998, © VG Bild-Kunst, Bonn 2019

Indem sie vielerlei Effekte einsetzt, verwischt Karin Kneffel die Darstellung, in der sie mit Spiegelungen und Transparenzen spielt: „Meine Bilder sind nicht realistisch, aber plausibel. Es ist wichtig, dass die verschiedenen Elemente des Ganzen „funktionieren“, dass der Betrachter sagen kann: „Das könnte ein Aquarium sein“ oder „Das könnte eine Fensterscheibe sein“.“ Wassertropfen rinnen über die Leinwand, fangen den Blick ein, furchtbar klar und hyperrealistisch. Hinter dieser unsichtbaren Glasscheibe voller Tropfen entfaltet sich ein komplexer und mysteriöser Innenraum, zum Beispiel jener des legendären Four Seasons Restaurants im Seagram Building in New York, das von Mies van der Rohe gestaltet wurde oder im Haus Lange in Krefeld, einem Wohnpavillon des selben Architekten. Oft findet man in den Kompositionen der Künstlerin auch andere Kunstwerke wieder: So setzt sich das Spiel mit der Realität in einer aufregenden Mise en abyme fort, in der Marc Chagall, Robert Indiana, Pablo Picasso, Aristide Maillol, etc. aufeinandertreffen. Der nebulöse Effekt ist total, die Welt mit ihrer Täuschung verschmolzen, um ein anderes Universum zu kreieren, von dem sich der Besucher erfassen lässt, gefangen von einer Expertin der Illusionen.

Ohne Titel, 2007, © VG Bild-Kunst, Bonn 2019; Foto Thomas Bruns

Im Museum Frieder Burda (Baden-Baden), bis zum 8. März 2020
museum-frieder-burda.de
kneffel.de

Parallel dazu entdeckt man im Mezzanin den zweiten Teil von I Rise – I’m a Black Ocean, Leaping and Wide von Sonia Gomes, dessen anderer Teil im Salon Berlin des Museums Frieder Burda zu entdecken ist (bis zum 22. Februar 2020)

Führungen samstags, sonn- tags und an Feiertagen um 11 Uhr und 15 Uhr

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