Jeff Wall stellt seine fesselnden Werke in der Fondation Beyeler aus

Jeff Wall : After Invisible Man by Ralph Ellison, the Prologue, 1999-2000, fondation Emanuel Hoffmann, en dépôt dans la / Depositum in der Öffentlichen Kunstsammlung Basel

In der Fondation Beyeler präsentieren die „photographischen Gemälde“ von Jeff Wall ihre fesselnden Rätsel.

Ein Großereignis: Indem sie 55 Werke von Jeff Wall vereint, rund ein Viertel seines Korpus, lässt diese Retrospektive Kompositionen in einen Dialog treten, meistens Großformate, die Medien – Dias in Leuchtkästen, analoge oder digitale Photographien – und Epochen vermischen. Einige dieser „photographischen Gemälde“ beziehen sich auf die Kunstgeschichte, ob auf offensichtliche Weise – A Sudden Gust of Wind (after Hokusai), eine Neuinterpretation aus dem Jahr 1993 einer berühmten Gravur des japanischen Meisters – oder indirekter, wie Mother of pearl (2016) nach Vermeer. Aber das ist nicht das Entscheidende… In meist extrem konstruierten Inszenierungen, die den Moment festhalten (das ikonische Milk, von 1984 ist eine perfekte Illustration) gleitet der kanadische Künstler in die Falten der Realität, lässt den Zweifel im Blick des Betrachters entstehen. So ist Pair of Interiors (2018) ein monumentales Diptychon, das ein abwesend wirkendes Paar darstellt. Violetter Schlafanzug für ihn. Bademantel in altrosa für sie. Die Sofas sind ecru. Die Möbel von massiver Eleganz, ein bisschen überholt. Die vage bedrückende Seite der Affäre wird von einem fahlen Licht unterstrichen. Bei näherer Betrachtung ist die Ähnlichkeit nur eine Fassade: Die Protagonisten sind unterschiedlich, die Innenräume ebenfalls. Diese Verschiebung öffnet Abgründe. Ist es eine Metapher für die bürgerliche Ästhetik? Eine Frage zur beunruhigenden Eigenartigkeit der Banalität? Eine zeitgenössische Einladung dazu seinen Blick zu schärfen, um Wahrheit und Lüge zu unterscheiden?

Jeff Wall
Jeff Wall : The Thinker, 1986, Courtesy der Künstler

Jeff Wall stellt uns vor Rätsel, erkundet die Grenzen zwischen Zufall und Konstruktion in zutiefst kinematographischen Kompositionen, mit zahlreichen Ebenen. Indem er die Realität auf den Kopf stellt, installiert der Künstler heimlich Anomalien in unserem Alltag, so als ob er die geheimen Ängste zum Vorschein bringe: Angst vor der Einsamkeit, Besorgnis im Angesicht unserer von Rassismus und Ungleichheit geprägten Gesellschaften… Seine Erzählung ist mal metaphysisch – das Triptychon I Giardini / The Gardens (2017) –, mal frontal, wie beim verrückten Blick der Person, die in Insomnia (1994) auf dem Boden liegt und dabei erstaunlicherweise an Shining von Stanley Kubrick, oder Overpass (2001) erinnert. Auch wenn die Farbpalette an Le Pont de l’Europe von Caillebotte denken lässt, führt die Aussage unaufhaltsam zu den schrecklich aktuellen Fragen der Migrationen. In einer von Bildern übersättigten Welt, die immer ungewisser und trügerischer sind, tun die mysteriösen Kompositionen von Jeff Wall wahnsinnig gut…


In der Fondation Beyeler (Riehen / Basel) bis 21. April
fondationbeyeler.ch

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