Im Cartoonmuseum taucht man ins Werk von Alison Bechdel ein
Die Alison Bechdel gewidmete Retrospektive The Essential ist ein Eintauchen in das Werk einer Hauptfigur des LGBTQIA+Comics.
Es gibt Bücher, die zu gesellschaftlichen Veränderungen beitragen: Fun Home (Kiepenheuer & Witsch, 2008) gehört dazu. Mit dieser Familie von Gezeichneten – Untertitel des Bandes –, erzählt Alison Bechdel von ihrer Kindheit im ländlichen Pennsylvania, indem sie ein originelles narratives Dispositiv installiert, das mit den Zeitlichkeiten spielt, denn das selbe Ereignis wiederholt sich, immer von neuen Informationen genährt. In diesen Fragestellungen rund um die Beziehung der Autorin zu ihrem Vater, entdeckt sie ihre eigene Homosexualität und jene ihres Erzeugers, die seit langen Jahren versteckt wurde, als er mit vierundvierzig Jahren bei einem Unfall verstirbt – es sei denn es handelt sich um einen Suizid. Von zahlreichen Referenzen durchzogen (von der Ikarus-Geschichte, von Daidalos und dem Minotaurus in Der Mythos des Sisyphos von Albert Camus, über Der große Gatsby) wird der graphische Roman, voller Finesse, den seine Schöpferin innerhalb von sieben Jahren realisierte, von einem äußerst präzisen Strich geprägt, der noch mehr verführt, wenn man die Originale mit ihren Grau-Abstufungen entdeckt. Während das Werk erfolgreich ist, war es ebenfalls das Objekt mehrerer Zensur-Versuche. In den Vereinigten Staaten fordern einige insbesondere, dass es aus verschiedenen öffentlichen Bibliotheken verbannt wird: Eine Medaille für die Comic-Autorin, die sich weiter einen autobiographischen Weg bahnt mit Wer ist hier die Mutter? (Kiepenheuer & Witsch, 2014) – einer Variante über die unglückliche, heimlich lesbische Ehefrau, die den Anschein einer bürgerlichen Familie aufrechterhält – oder Das Geheimnis meiner Superkraft (Kiepenheuer & Witsch, 2023), in dem sie auf die Suche nach sich selbst geht, in humorvollen Kompositionen, in denen sich das Aquarell einlädt.
Rund 250 Originalzeichnungen, zahlreiche vorbereitende Skizzen, Photographien, Objekte und Filme bilden einen Rundgang, der es erlaubt eine Künstlerin besser kennenzulernen, die Tiefgründigkeit und Leichtigkeit in zutiefst politischen Werken mischt, an der Grenze zwischen Autofiktion und philosophischem Essai. Im Laufe der Säle entdeckt der Besucher ihre Wurzeln, taucht in die 1980er Jahre ein mit Lesbenläufe (Daphne, 1991)… Einer der Höhepunkte der Ausstellung ist die Präsentation des vor Kurzem erschienenen Spent (HarperCollins Publishers, 2025, noch nicht übersetzt), in dem das Alter Ego von Alison Bechdel auf urkomische Weise die Ethik im Zeitalter des zügellosen Kapitalismus untersucht. Was illustriert, wenn es denn nötig ist, dass die Schöpferin des Bechdel-Tests – der es erlaubt zu erfahren ob ein fiktives Werk sexistische Klischees vermittelt – so militant sie auch sei, die nötige (selbst) kritische Distanz zu bewahren weiß.
Im Cartoonmuseum Basel – Zentrum für narrative Kunst (Basel) bis 26. Oktober
cartoonmuseum.ch
> Sonntagsführungen am 21.09. & 05.10. (14 Uhr)
> Kuratorinnenführung am 26.10. (14 Uhr)