Zurück in die Vergangenheit der Industrie mit Stefan Bircheneder
In Nur für Personal taucht Stefan Bircheneder den Besucher, anhand faszinierender hyperrealistischer Gemälde, in (Arbeits-)Welten ein, die verschwunden sind.
Backsteinwände, auf denen Moos wächst, das auch den Boden einnimmt. Ein klappriger Holzwagen, der vor vergessenen Stoffen überquillt, die von der Zeit verschmutzt wurden. Verrostete Werkzeuge liegen hier und da herum. Polyester (2018), ein riesiges Gemälde von Stefan Bircheneder, zeigt eine verlassene Spinnerei in der Nähe von Görlitz, wo zur Zeit der DDR synthetische Decken hergestellt wurden (von denen ein Exemplar ausgestellt ist, sorgfältig gefaltet, einige Meter entfernt). Die Illusion ist perfekt und voller Details, erinnert daran, dass unser Mann in einem früheren Leben Kirchenmaler war. In den Fußstapfen der „Hyperrealisten“ – Malcolm Morley, Chuck Close oder Richard Estes –, beschränkt sich der Deutsche nicht darauf die Wirklichkeit abzubilden – sonst wären die Werke einfache Variationen rund um Urbexing, eine Praxis, die darin besteht verlassene Orte zu erkunden – sondern erlaubt es dem Besucher darüber hinauszugehen, in eine andere „Meta-Realität“ einzutreten. Mit seinen halb eingestürzten Fabriken (Knusperflocke, 2017), seinen vergessenen Büros (Glöckl, 2018) oder seinen Fluren, die direkt aus The Walking Dead (Serviervorschlag, 2017) stammen könnten, komponiert der Maler ein Requiem für die Arbeitswelt, jene des Kommunismus und seiner großen VEB (Volkseigener Betriebe), aber auch, indirekt, jene der Arbeiter des industriellen Kapitalismus.
Aber Stefan Bircheneder geht über die Darstellung von Ruinen hinaus. Er lässt uns in diese lost places’ eintauchen, indem er perfekte Trompe-l’œil kreiert, dank einer Lasurtechnik, die von den alten Meistern stammt, mit der er dreidimensionale Installationen allein aus Leinwänden kreiert: Stühle und Tische, Umkleiden, kaputte Toiletten, Duschen mit zerschlagenen Fliesen, abblätternde Waschbecken. Der Rundgang gipfelt in einem Raum von ergreifendem Realismus… In einem offenen Büroschrank errät man die Existenz eines imaginären „kleinen Chefs“: Schnapsflasche, Schmachtfetzen, Donald-Heft, Dossiers… Der Künstler erzählt rührende Geschichten von Männern und Frauen, Opfern, die auf dem Altar der Rentabilität und der unmittelbar nachfolgenden Desindustrialisierung geopfert wurden. Als Schlussfolgerung portraitiert er anonyme Arbeiter ausgehend von Photographien, die er in Industrieruinen gefunden hat (kombiniert mit Pauspapieren, die ebenfalls aus Fabriken stammen, die stumm geworden sind) wie eine letzte leidenschaftliche Hommage an diese echten Helden der Arbeit (Auszeichnung zu Zeiten der DDR).
In der Städtischen Galerie (Offenburg) bis 19. Oktober
galerie-offenburg.de – bircheneder.de