Transparent things

Vladimir Nabokov lebte sechzehn Jahre lang in einer Suite des Montreux Palace. Besuch des letzten Refugiums des Vaters von Lolita.

Ein Balkon mit Blick auf den Genfersee mit einem atemberaubenden Ausblick auf fast surrealistische Alpen, die auch von Ferdinand Hodler gemalt sein könnten. Die Luft ist kristallklar. Das durchsichtige Wasser des Sees konnte Vladimir Nabokov (1899-1977), von seinem Schreibtisch in der obersten Etage des Schwanenflügels im Montreux Palace aus sehen. Dieses Hotel aus der Belle Époque der waadtländischen Region empfing für lange Perioden Persönlichkeiten wie Freddie Mercury oder Richard Strauss, der hier Vier Letzten Lieder vollendete. Aber niemand brach den Rekord des amerikanischen Autors russischer Herkunft. Er lebte hier von 1961 bis 1977, schrieb Ada oder Das Verlangen, Durchsichtige Dinge oder Sieh doch die Harlekine!. An der linken Schublade seines Schreibtisches ist ein Tintenfleck mit poetischer Form geblieben, der aus dem Füllfederhalter stammt, den der Schriftsteller darin aufbewahrte. Das massive Bett, in dem er mit Véra lag, thront majestätisch in der Suite, in dem was im Laufe der Zeit zu einem echten Appartement wurde, da das Paar nach und nach die benachbarten Zimmer kolonisierte. Dieser ewige Exilant findet hier Gelassenheit – und einige steuerliche Vorteile – spielt Tennis, spaziert an den Ufern des Sees entlang und sagt: „Ich bin ein alter Mann, dem seine Intimität in allen Lebensbereichen sehr wichtig ist und dem eine fruchtbare Isolation in der Schweiz lieber ist als die stimulierende aber ablenkende Atmosphäre Amerikas.“ Der Ort, der es ihm auch erlaubt sich seiner Leidenschaft zu widmen, der Schmetterlingsjagd: Mit seinem Netz bewaffnet erklimmt der Lepidopterologe im Morgengrauen mit dem Sessellift die umliegenden Höhen, worüber er in einer Sammlung von Gesprächen folgendes berichtet: „Ich finde, dass das Gleiten von Tal bis zur Baumgrenze in diesem magischen Sitz in der Morgensonne, die Tatsache meinen eigenen Schatten von oben zu sehen (…) dessen sitzendes Profil langsam über mit Blumen bewachsene Abhänge gleitet, inmitten des Tanzes der Perlmuttfalter und des Flatterns der Edelfalter etwas von Zauber und Traum hat.“ Heute schwebt der freundliche Schatten von Nabokov noch durch die Gänge des Montreux Palace, der trotz einiger Modernisierungen eine zeitlose Eleganz bewahrt hat: Salons mit zartem Gold, Festsäle (in denen 1936 der Vertrag von Montreux unterzeichnet wurde), die mit idyllischen Malereien von Otto Haberer dekoriert sind oder auch riesige Kristall-Leuchter mit klingendem Gehänge. Ihn zu betreten heißt einen Ausflug in ein verschwundenes Europa zu machen, voller Eleganz.

KULT
Die diesjährige Ausgabe des Montreux Jazz Festival (02.-17.07.), einer Pionier-Veranstaltung, die 1967 entstandt, empfängt große Namen des Pop auf der Seebühne, während das Petit Théâtre die DNA des Ereignisses verkörpert, mit freiem, frischem und kosmopolitischem Jazz. Mit Woodkid, Ibrahim Maalouf, Zucchero, Yseult, Altın Gün, Christian Sands, Sofiane Pamart, Kid Francescoli, Sam Fischer…


Montreux Palace Avenue Claude-Nobs, 2 (Montreux)
fairmont.fr/montreux

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