Jenseits von schwarz

Portrait de Marthe Lemelle

Im Saarländischen Staatstheater entfaltet sich die aufregende Oper Macbeth Underworld von Pascal Dusapin. Gespräch mit dem französischen Komponisten, der im Saarbrücker Haus artist in residence ist.

Nach Penthesilea1 schlagen Sie sich mit einer anderen Geschichte von Liebe und Tod herum: Warum hatten Sie Lust, an den düsteren Ufern von Macbeth anzulegen?
Der Wunsch mich mit dem Werk von Shakespeare zu beschäftigen, kommt von Penthesilea, einer Geschichte von Liebe und Gesetz: Als die Heldin versteht, dass sie einen Meineid geschworen hat, begeht sie Selbstmord. Macbeth ist exakt das Gegenteil – so sehr, dass man die beiden Opern als ein Diptychon verstehen kann – hinsichtlich der Tatsache, dass die Hauptfigur komplett das Gesetz überschreitet. Es ist sehr aktuell, erinnert an viele Mächtige – in Brasilien, in den USA, aber nicht nur – die die Grundprinzipien unserer Kultur mit Füßen treten. Ich zeuge von meiner Sorge um die Welt, indem ich solche Themen behandele.

Sollte die Oper ein Resonanzkörper der Welt sein?
Für mich, ja. Es geht, zusammengefasst, darum, singend das zu sagen, was uns beschäftigt – und diese Überlegung in die Psyche einzuschreiben – mehr noch als darum Geschichten zu erzählen. Das macht das Kino sehr viel besser als wir! Medeamaterial (1992) stand in Zusammenhang mit dem Bosnienkrieg, Penthesilea (2014) mit der Situation in Syrien oder Libyen… Meine Macbeth kann an Trump oder Bolsonaro, aber auch einige Magnaten der GAFA denken lassen.

In ihrer Oper haben Sie nichtsdestotrotz den Schwerpunkt auf das Paar aus Macbeth und Lady Macbeth gelegt: Warum diese Entscheidung, die ziemlich weit entfernt von Shakespeare ist?
Die Gefahr liegt darin Lady Macbeth auf den Status der verrückten Hysterikerin und Manipulatorin zu beschränken, wie es oft der Fall ist. Ich wollte sie anders denken, wie eine sanfte und verliebte Frau. Ich wollte, dass sie ein echtes Paar bilden, mit einer erotischen Dimension. Das macht es einfacher die Zerstörung ihrer Beziehung zu zeigen, die mit dem fortschreitenden Wahnsinn einhergeht.

Warum haben Sie ihre Oper Macbeth Underworld genannt?
Sie sind alle tot, es sind die Geister, die aus der Hölle zu- rückgekehrt sind um eine Szene nachzuspielen, die bereits existiert hat. Es ist ein purer Albtraum, der uns in das Inner- ste der menschlichen Seele eintauchen lässt. Ich wollte die Idee einer anderen Welt ausdrücken. Diese „Jenseits-Welt“ habe ich im Titel eines Romans von Don DeLillo gefunden.

Was hat sie dazu gebracht diese Oper zu komponieren?
Die Idee der Partition ist entstanden, als ich nacheinander zwei Filme sah, Das Schloss im Spinnwebwald von Akira Kurosawa und eine wenig bekannte Realisation von Roman Polanski, die ganz einfach Macbeth heißt. Anschließend habe ich rund hundert Filme und Theaterstücke kollationiert, von Macbeth in einer tschechoslowakischen Fernsehproduktion bis zu jener der Royal Shakespeare Company, produziert von Thames Television mit Judi Dench.

Was denken Sie von der Inszenierung von Lorenzo Fioroni in Saarbrücken?
Sie ist sehr anders als jene von Thomas Jolly bei der Uraufführung im Jahr 2019. Als ich sie entdeckte, war das ein wunderbarer Moment: Lady Macbeth war extrem sexualisiert, während Macbeth feminisiert wurde. Sie bewegen sich in einem Endzeitszenario, in einer dekadenten postnuklearen Vorhölle. Es war eine Sicht auf meine Partition, die mir sehr gefallen hat.

Was können Sie uns über ihre kommende Oper, Il Viaggio sagen, die beim Festival d’Aix-en-Provence 2022 uraufgeführt wird?
Ich habe mich auf die Göttliche Komödie von Dante gestützt: Je öfter sie diesen Text lesen, desto weiter geht er. Nach dieser langen Begleitung habe ich mich dazu entschieden, eine Oper zu machen. Ich war sehr verirrt, verzweifelt, sehr ängstlich, aber schließlich ist die Idee aufgetaucht auf den Spuren von Dante zu wandeln, einer Figur, die doppelt sein wird, da man auf einen Dante von 35 Jahren trifft und einen, der gerade die Vita nuova fertig gestellt hat. Nach Penthesilea und Macbeth Underworld hatte ich das Bedürfnis nach etwas Hellerem.


Im Saarländischen Staatstheater (Saarbrücken), am 02., 08. & 28. Mai und am 03. & 06. Juni
staatstheater.saarland

Im Grand Théâtre (Luxemburg), am Mittwoch den 12. Mai
theatres.lu

1 Siehe Poly Nr.180 oder auf poly.fr/de/

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