Dancer in the dark

Photo de Jean Louis Fernandez

Getragen von Éric Vigners düsterer Ästhetik findet Mithridate von Racine seinen Weg ins TNS, nachdem es schon aufgezeichnet wurde.

„Wenn an einem Ort und einem Tag die Handlung sich erfüllt, bleibt das Theater bis zum Ende gefüllt.“, schrieb Boileau, als er die sakrosankte Regel der klassischen Tragödie herausgab. Mit Mithridate (1673) beschreibt Racine den legendären König von Pontos – einem antiken Reich an den Ufern des Schwarzen Meeres – in den letzten Stunden eines Lebens, das dem Kampf gegen die römischen Invasionen gewidmet war. Das Werk, das zu den weniger bekannten des Autors gehört, wird selten gespielt. Es ist auch das dunkelste. „Ein intimes Stück der Dämmerung. Schmerzhaft“, vertraut uns Éric Vigner an, dessen Inszenierung den Zuschauer auf eine poetische Totenreise mitnimmt, ins Zentrum der mysteriösen menschlichen Leidenschaften, verdorben von verratener Liebe und sinnlosen Kriegen. Hier kommt der Monarch, nach seiner Niederlage gegen Pompeius in die Stadt Sinop zurück, wo sich seine beiden Söhne, die ihn für tot hielten, um seine Verlobte streiten. Auf der politischen Ebene besiegt, versteht Mithridate, dass er es auch im Privaten ist… und verzehrt sich bis zur Selbstzerstörung. Es ist die Tragödie eines Mannes, der alles verliert und zu spät realisiert, dass er das wichtigste verpasst hat, indem er den Ruhm zu Ungunsten der Liebe verfolgte. „Eitelkeit der Eitelkeiten, alles ist nur Eitelkeit“, fand man schon bei Kohelet… Die Inszenierung von Vigner, im Dämmerlicht, spiegelt wunderbar diese abendliche Stimmung wieder, die über dem Text liegt: „Diese Erzählung vom Ende eines Lebens und dem Ende einer Welt ist ein ergreifender Spiegel in Bezug zu dem, was wir heute erleben, zu den Fragen rund um den Tod und den Sinn der Existenz, die die Pandemie in uns aufkommen lässt. Was machen wir? Zu was ist es gut? “

Photo de Jean Louis Fernandez

In der schwarzen Nacht des Theaters lässt der Regisseur das Prasseln eines Feuers aufblitzen, um das die überwältigende Jutta Johanna Weiss sich mit den Begierden der drei Männer herumschlägt, die sie alle besitzen wollen. Die Gestaltung des ersten Aktes hat etwas von Georges de La Tour. Und etwas von Eyes Wide Shut in der Brillanz des Vorhangs aus Glasperlen, der über die Bühne hinweg gleitet und die Schauspieler in die Vorhölle einer „halb realen / halb geträumten Dimension“ eintaucht… bis er sie begräbt. Seit November aufgrund der sanitären Krise verschoben, ist die Aufführung inzwischen zum Film geworden, der von Stéphane Pinot realisiert wurde und auf der Plattform von France Télévisions zu sehen ist, bevor sie endlich vor Publikum stattfinden kann. „Ein Film, keine platte Aufzeichnung ohne Standpunkt“, präzisiert Éric Vigner. Mit Freunden von der Produktionsgesellschaft La Compagnie des Indes hat er an jeder Szene dieses Spielfilms gearbeitet, um seine Entscheidungen in der Inszenierung bestmöglich wiederzuspiegeln: „Nahaufnahmen der Gesichter, Mikrophone, die es erlauben mit leiser Stimme zu sprechen, extrem hohe Bilddefinition, die auch das nächtliche Licht wiedergibt, so dass der sehr intime Charakter von Racines Werk transportiert wird. Es ist ein Kammerspiel.“


Im Théâtre national de Strasbourg, vom 7. bis 17. Juni
tns.fr

In der Comédie de Reims, vom 22. bis 25. Juni
lacomediedereims.fr

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