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Heidi in der Version von Lena Reißner im Theater Freiburg

© Philip Frowein

Wessen Welt sind die Berge? Das Theater Freiburg will hoch hinauf: Das selige Alpenglück des Waisenkindes Heidi wird umgeschrieben zum kritischen „Theaterspaß“ auf der Suche nach einem modernen Heimatbegriff – Holladiho!

Von Michael Magercord 

Achtung: Kitschalarm! Heidi steigt von den Schweizer Bergen hinab auf die Theaterbühne. Einmal mehr, denn die heimeligste aller Heimatgeschichten hat schon unzählige Schauspielbearbeitungen erlebt. Nun erscheint Heidi in Freiburg in einer Fassung der Stückeentwicklerin Lena Reißner, die schon in Zürich zu sehen war. Und klar, darin wird das reizende Waisenkind nicht einfach im hochalpinen Idyll um Großvater Öhi und Ziegenhirt Geißenpeter die Herzen rühren. In einem „cottagecore-pop-musikalischen Bergrutsch“ geht es anders zu als auf der Alm. Zumal das Spektakel ausdrücklich als Versuch für höhere Absichten deklariert ist: Die neue Heidi soll für den zeitgemäßen Heimatbegriff sorgen.

© Philip Frowein

Heimat ist… wer kann das wirklich sagen? Jeder hat eine Vorstellung von Heimat, aber trotzdem könnte niemand genau beschreiben, was das Wort bedeuten soll. Worüber redet man, wenn man von Heimat spricht? Über das Wohlfühlen in seiner Umgebung; über Gewohnheiten, die ihre ungeschriebenen Rechte einfordern; oder auch über die Grenzen der Grenzenlosigkeit. Weil die Heimat in der rationalen Wirklichkeit nicht recht zu fassen ist, muss der Begriff dort angesiedelt werden, wo er seine Heimstatt hat: in einer Welt, die über der sichtbaren Realität schwebt. Kein Alltagsbegriff kommt ihr näher als „Heimat“, es ist vielleicht das letzte Wort, das modernen Menschen zur Verfügung steht, um der überweltlichen Dimension des Lebens Ausdruck zu verleihen. Und wer die Notwendigkeit leugnet, den Zugang in die unsichtbare Wirklichkeit wahren zu müssen, überlässt sie jenen Kräften, die nicht an rationaler Zurückhaltung leiden: Politik und Kommerz. Gibt es ein besseres Versuchslabor für eine zeitgemäße Heimat, als die Bretter, die Welt bedeuten? Bei Lena Reißner ist die Kulisse für die neue Heidi nüchtern wie eine Ausstellungshalle, auf dass sich darin jede Idylle als Inszenierung entlarvt. Die Kostüme erscheinen altertümlich, aber ohne bestimmbare Herkunft. Und die Musik darf besonders pathetisch erklingen, wenn‘s allzu rührig zu werden droht. Was aber bleibt, ist die unerschütterliche Freundlichkeit der Heidi, die naiv erscheint und doch berührt, und so die Urfrage an alle Heimatbegriffe stellt: Was braucht es zum Glücklichsein? Und was wäre der Versuch ohne Antwort: Heimat ist laut Programmheft „die Kraft der Liebe, der Zugehörigkeit(en), nicht zuletzt zur Natur, der mit einem kindlich hoffnungsvollen Blick begegnet wird“. Es ist schwer, die Grenze zum Kitsch zu wahren, wenn es um die Heimat geht. Ebnet ausgerechnet der Kitsch den Weg in die unsichtbare Überwelt, sodass es auf der Bühne darum ginge, dass Kitsch zeitgemäß dargestellt wird? Bei diesem Versuch um die neue Heidi ist eins jedenfalls gewiss: An der Suche nach einem aktuellen Heimatbegriff kann man viel Spaß haben, Theaterspaß.


Im Theater Freiburg, am 3., 14., 16., 19., 20., 26. und 30. Dezember sowie am 3. und 4. März 2026
theater.freiburg.de

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